Live hören
Jetzt läuft: Blurry eyes von Michael Patrick Kelly

Dialekte-App "Palava" braucht Hilfe

Aktuelle Stunde 17.11.2023 Verfügbar bis 17.11.2025 WDR

Krüstchen oder Kanten: Wissenschaftler erforschen NRW-Alltagssprache

Stand: 17.11.2023, 20:16 Uhr

Seit dem Sommer erforschen Sprachwissenschaftler von LVR und LWL mithilfe der App Palava die Alltagssprache in den Regionen in NRW. Jetzt gibt es die ersten Ergebnisse.

Von Jörn KießlerJörn Kießler

Heißt das leckere Gebäck, dass es nach dem Martinszug gibt, jetzt Weckmann oder Stutenkerl? Und wie sagt man eigentlich zum letzten Stück Brot: Knust, Kanten, Knäppchen, Krüstchen?

Diskussionen darüber, wie man ganz alltägliche Dinge benennt, kann man nicht nur führen, sobald Menschen aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands zusammenkommen. Es geht auch schon wunderbar mit Westfalen und Rheinländern oder Siegerländern und Bewohnern des Münsterlands, die darüber verhandeln, ob Kinder nicht zu viele Kamellen, Bömskes, Klömpkes oder Bröckskes essen sollten. Denn NRW ist ein Land der Dialekte und regional gefärbten Alltagssprache.

Alltagssprache in den Regionen NRWs

Mit der Sprach-App PALAVA wollen die Sprachforscher von LWL und LVR die Umgangssprachen in NRW untersuchen.

Mit der Palava-App erforschen LVR und LWL Alltagssprache in NRW

Um diese regionalen Unterschiede in der Alltagssprache genauer zu erforschen, haben die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) eine App programmiert. Darin werden Bilder gezeigt, die Gegenstände zeigen, die jeder kennt: Bonbons, Fahrräder oder auch einen Dachboden. Die Nutzer und Nutzerinnen können dann in der Palava-App eine Sprachaufnahme aufzeichnen und per Knopfdruck an das Team der App verschicken.

"Wir wollen damit herausfinden, in welchen Regionen in NRW welche Begriffe zur Alltagssprache gehören", erklärt die Sprachwissenschaftlerin Charlotte Rein vom LVR. Zwar zeigen schon ältere Untersuchungen zu dem Thema, dass beispielsweise die Menschen, die näher an der niederländischen Grenze wohnen, häufiger Fietze oder Fitz zu Fahrrad sagen, als im Rest von NRW.

Sprachwissenschaftlerin: "Dialekt wird kaum noch gesprochen"

Im Gegensatz zu Dialekten sei im Bereich Alltagssprache noch nicht so viel geforscht worden, sagt Rein. "Mittlerweile ist es aber so, dass kaum noch Dialekt gesprochen wird. Regional geprägte Ausdrücke in der Alltagssprache werden aber noch oft genutzt."

Dabei geht es aber nicht nur um einzelne Begriffe sondern auch Redewendungen. So zeigen die Daten aus der App auch, in welchen NRW-Regionen die Menschen den Ausdruck "einen Ratsch am Kappes haben" kennen und in welchen nicht. Die Umschreibung bezeichnet jemanden, der nicht ganz bei Trost ist.

Deutschlandkarte

Tausende Sprachaufnahmen müssen transkribiert werden

Bis es solche Karten für alle in der Palava-App abgefragten Begriffe gibt, dauert es aber noch. "Wir müssen uns jede einzelne Sprachaufnahme anhören und transkribieren, bevor wir die einzelnen Begriffe auswerten können", erklärt Rein. In der ersten Fragerunde, die seit Juni läuft, wurden 80 Begriffe abgefragt. Bislang gibt es für jeden dieser Begriffe zwischen 1.000 und 4.000 Antworten, also Sprachaufnahmen.

Die aktuelle Fragerunde soll noch bis Ende des Jahres laufen. Dann wollen die Wissenschaftlerinnen einen neuen Katalog an Begriffen in die App stellen. "Bis dahin hoffen wir, dass sich noch möglichst viele Menschen an der Umfrage beteiligen", sagt Rein. "Noch haben wir für viele Begriffe weiße Flecken auf der NRW-Karte."

Je mehr Menschen sich mit der Palava-App an der Umfrage beteiligen, desto besser. Auch wenn sie keine gebürtigen Nordrhein-Westfalen seien, sagt die Sprachwissenschaftlerin Rein. "So können wir beispielsweise auch sehen, welche regionalen Ausdrücke Zugezogene in ihre Alltagssprache aufgenommen haben."

Rein selbst stammt aus Hessen. Ein regionales Lieblingswort aus NRW, das sie selbst oft nutzt, hat sie trotzdem: fimpschich.

Unsere Quellen:

  • Pressemitteilung LVR
  • Dat Portal - LVR

Über dieses Thema berichten wir am 17.11.2023 auch im Hörfunk bei WDR 3 "Der Tag um sechs" um 18 Uhr und im Fernsehen in der "Aktuellen Stunde" um 18.45 Uhr.